Fear & Loathing In Las Vegas, dort Wo Die Büffel Röhren
Nicht nur Johnny Depp, auch Bill Murray spielte legendären Gonzo-Reporter Hunter S. Thompson Original (Bill Murray) Kopie (Johnny Depp)
FILM-FIGUR HUNTER S. THOMPSON
MURRAY & PETER BOYLE IN „WHERE THE BUFFALO ROAM“ (1980)
DEPP & BENICIO DEL TORO IN „FEAR & LOATHING IN LAS VEGAS“ (1998)
DER ECHTE JOURNALIST HUNTER S. THOMPSON (1937 – 2005)
FILM-FIGUR HUNTER S. THOMPSON
Viele von Euch werden den Kino-Klassiker „Fear & Loathing in Las Vegas“ kennen und lieben. Johnny Depp ist Raoul Duke. Diese Figur wiederum steht für die mittlerweile verstorbene Reporter-Legende Dr. Hunter S. Thompson: Ein durchgeknallter, alle Extreme lebender und alle Konventionen brechender Autor, der für den „Rolling Stone“ schrieb und die USA journalistisch revolutionierte. Trotz seines exzessiven Lebensstils reichte Hunter immer oder meistens jedenfalls gute Storys ein. Auch wenn er die Fristen oft bis zur letzten Minute ausreizte, was seine Chefredakteure und Verleger zum Wahnsinn trieb. Doch sie wussten: Hunter war ein Star-Journalist, der einen etwas ungewöhnlichen Lifestyle pflegte: „Wo ist denn Thompson? Geht ihn suchen! Schaut zuerst in den Bars nach!“ Gemeinsam mit seinem Freund und Anwalt; Dr. Lazlo Gonzo (Lieblingszitat: „Als Dein Anwalt, rate ich Dir …“) erlebt Hunter bizarre Trips und Abenteuer, die auf der Leinwand zwar fantastisch anmuten, dennoch auf realen Begebenheiten beruhen. Die Film-Figur Gonzo geht vermutlich auf Hunters Freund, den Juristen Oscar Zeta Acosta zurück. Hunter hat den Auftrag über eine Auto-Rallye in der Wüste Nevadas zu berichten. Grund genug mit Gonzo nach Las Vegas zu trippen und Hotelzimmer zu verwüsten, geleaste Autos zu schrotten oder wildfremde Menschen in aberwitzige Gespräche zu verwickeln. Die Zwei scheuen sich auch nicht, im Gerichtssaal ihre politischen Ansichten zu proklamieren und so einen Tumult zu entfachen. Dr. Gonzo hat ein sehr großes Herz und große Loyalität für seine Klienten, soviel müsst ihr wissen. Das Duo verbindet eine tiefe Abneigung gegenüber US-Präsident Nixon und dessen Republikanern im US-Parteiensystem. Hunter S. Thompson hatte einen politisch denkenden Kopf, der trotz seiner Eskapaden – so wie mir scheint – stets die Übersicht und gute Kontaktpflege bewahren konnte. Hunter war auch bei den mehrheitlich progressiven und marxistischen Studenten der wilden Siebziger äußerst beliebt. Auch wenn Hunter sicherlich kein Vorbild für Vergebung war und ständig Feindbilder hochhielt. Wer großen Humor hat, Toleranz und Verständnis mitbringt und viel zu vergeben hat, der kann die Hunter-Filme lieben.MURRAY & PETER BOYLE IN „WHERE THE BUFFALO ROAM“ (1980)
Bereits 1980 verkörperte Top-Komiker Bill Murray („Ghostbusters“, „Und Täglich Grüßt Das Murmeltier“) den Reporter Hunter S. Thompson. Der Film heißt „Where The Buffalo Roam“, deutscher Titel „Wo Die Büffel Röhren“. Johnny Depps „Angst & Schrecken in Las Vegas“ ist nur die Kopie dieses Streifens mit Murray und Peter Boyle alias Gonzo. Szenen aus dem Film: „Zufällig“ trifft sich das Duo im Flugzeug des Wahlkampagne-Teams von Richard Nixon. Lange vor Watergate. Und Jahre nachdem Dr. Gonzo aus dem Knast entlassen wurde. Er saß wegen Angriffs auf einen Staatsdiener, ausgeübt im Saal eines ordentlichen Gerichts. Seinen Krankenhausaufenthalt nutzt Hunter zu einer kleinen Privat-Party mit der Krankenschwester, während Lazlo seinen Klienten, einer Gruppe von radikalen Hausbesetzern zu einem Freispruch vor einem Richter in San Francisco verhelfen will. Das ist jener Richter, dem er später auf amüsante Weise zusetzen wird. Anwalt Gonzo konzipiert ein flammendes Plädoyer für Freiheit und Selbstbestimmung fußend auf der Verfassung und den Bill Of Rights der Vereinigten Staaten. Später hält Hunter eine umjubelte Rede vor Studenten in einem Hörsaal, natürlich mit Hut und Sonnenbrille. Auf die Frage, ob Dr. Gonzo, über den er immer wieder schreibe, nur eine ausgedachte Figur sei, antwortet Hunter: „Nein, man kann einen Mann wie Dr. Lazlo Gonzo nicht einfach erfinden. Er ist einzigartig, er ist ein Mutant, ein richtig heftiger Kerl vom Typ Wasser-Büffel.“ Dieser Film strahlt die gechillte Atmosphäre der Spät-70er aus. Den kompletten Soundtrack machte Songwriter-Gigant Neil Young. Regie führte Art Linson. (Filmausschnitt aus „Where The Buffalo Roam“)DEPP & BENICIO DEL TORO IN „FEAR & LOATHING IN LAS VEGAS“ (1998)
Die Entwicklung von Technik und Spezial-Effekten in den 90ern bot völlig neue Möglichkeiten der visuellen Darstellung der verrückten Trips. Jahrelang wartete Regisseur Terry Gilliam (Monty Python), bis die Zeit reif für die Umsetzung seiner Idee war: Erneut Hunter S. Thompsons verrückte Erlebnisse in die Kinos zu bringen. Johnny Depp bekam in Benicio Del Toro („Sin City“) einen kongenialen Partner an die Seite gestellt. Wo Peter Boyle noch den aristokratischen, alten Typus eines Consigliere (italienisch: Berater, Anwalt) in die Figur des Dr. Gonzo packt, geht Benicio in die Vollen. Er interpretiert den Juristen in einer erbarmungslos witzigen Ehrlichkeit und Dramaturgie, die gleichzeitig schockt und fasziniert. Hauptdarsteller Johnny Depp verbrachte vor Drehbeginn einige Monate mit Thompson, um dessen Leben hautnah zu studieren. „Hunter und Gonzo, das waren Typen, die mit ihren alltäglichen Handlungen bis an die Grenzen gegangen sind. Nur um zu testen, was passiert“, so Depp über das Duo Infernale. Der Begriff „Gonzo-Journalismus“ wurde von den zwei Kumpanen geprägt. Er beschreibt die Fähigkeit eines Journalisten, auch unter den extremsten Party-Umständen immer noch die richtige Berichterstattung zu liefern. Im Oktober 2011 startete der Kino-Film „The Rum Diary“ in den USA. Darin mimt Hunters Freund Johnny Depp zum zweiten Male einen auf Thompson zugeschnittenen Journalisten, ein Alter Ego von Hunter mit autobiographischen Bezügen. Ebenso wie „Fear & Loathing“ basiert dieser aktuelle Spielfilm auf einen gleichnamigen Roman der Reporter-Ikone. Im August 2012 soll „The Rum Diary“ in den deutschen Kinos laufen. (Trailer zu „Fear & Loathing in Las Vegas“)DER ECHTE JOURNALIST HUNTER S. THOMPSON (1937 – 2005)
Hunter war Reporter in einer Zeit, in der die Magazine und Zeitungen noch genug Geld für die Spesen, Recherchematerialien, Hotelrechnungen und Flugtickets ihrer Schreiberlinge übrig hatten. Heute hat sich vor allem die Print-Medienlandschaft derart gewandelt, dass nur noch eine kleine Journalisten-Elite (SPIEGEL, BILD) in den Genuss solcher Privilegien kommt – der Großteil heutiger Journalisten ist froh, überhaupt finanziell über die Runden zu kommen. Hunter Stockton Thompson wurde im Juli 1937 in Louisville, Kentucky geboren und interessierte sich frühzeitig für das Schreiben. Er berichtete über alles Mögliche. War nicht nur Sportreporter, sondern schrieb auch für die New York Herald Tribune oder für das Kult-Magazin „Rolling Stone“. Beide Filme zeigen einen Hunter S. Thompson, der tatsächlich SO drauf war – und auf Kosten seiner Arbeitgeber praktisch jedes Hotelzimmer in eine Party- bzw. interaktive Museumshöhle verwandelte. Hier könnt Ihr euch den Typen in „echt“ ansehen, in der Talkshow von David Letterman. (Hunter in der Late-Night-Show „Letterman“, November 1988. Er kommentiert den grad frisch gewählten, republikanischen US-Präsidenten George Bush.) Man merkt, sowohl Bill als auch Johnny haben die nuschelnde Aussprache von Hunter sehr gut drauf gehabt. Wie gut, dass Hunter mehr geschrieben als referiert hat. Er notierte Top-Storys, sammelte verrückte Geschichten im Amerika der 60er, 70er und 80er Jahre. So sind die hier präsentierten Filme ebenso künstlerische Dokumentationen zeithistorischer Ereignisse. Ab den Seventies wandte sich Hunter verstärkt der Politik zu, praktisch und journalistisch. Er berichtete recht parteiisch, aber ausführlich über die Watergate-Affäre des korrupten Nixon und befreundete sich mit dem damals noch relativ unbekannten Politiker Jimmy Carter von der Demokratischen Partei, der 1977 der 39. Präsident der USA werden sollte. Ganz im Sinne eines Alexis de Tocqueville war Hunter ebenfalls basisdemokratischer Praktiker, so kandidierte Thompson 1970 als Sheriff für die super-reiche wie berühmte Stadt Aspen in Colorado – die Wahl blieb jedoch erfolglos. Allerdings konnte Hunter eine ausgeflippte Wählerschaft und Support-Community um sich scharen, die in weiser Voraussicht auf das 2006 ins Leben gerufene FreakMuzik-Network den Namen „Freak-Plattform“ trug. Back to the Future! Nicht zu vergessen die politische Analyse des Journalisten. Ich erinnere mich an eines seiner letzten Interviews im Jahr 2002. Hunter erlebt die Post-9/11-USA, eine Gesellschaft immer noch traumatisiert von den jüngsten Terroranschlägen in New York, Washington und Pennsylvania. Immer noch geschockt von den einstürzenden Twin Towers des World Trade Center in Manhatten. Laut offizieller Regierungs- und Medienlesart geplant und durchgeführt von der Terrororganisation Al Quaida unter Führung des saudischen Terrorfürsten Osama Bin Laden. All dies angeblich ohne Mithilfe, Kenntnisse oder Warnungen seitens der weltbesten westlichen Geheimdienste NSA, CIA, Mossad, MI-6, ISI oder BND (man erinnere sich an den „Hamburger“ Mohammed Atta). Ich rechne hier den Auslandsgeheimdienst von Pakistan, den ISI (Inter-Services Intelligence) zu den westlichen Diensten, da er maßgeblich von der US-amerikanischen CIA initiiert worden ist. In dieser Zeit der totalen Verwirrung, als die NATO-Armeen unter US-Führung erstmalig Kampfmaßnahmen nach Artikel V und damit die Afghanistan-Kriegswirren einleiten, meldet sich der fast schon totgeglaubte Hunter S. Thompson als Gast in einer landesweiten Radio-Show zurück. Hunter verweist auf die internationalen Verbindungen Bin Ladens, nicht nur in den nordafrikanischen, arabischen und vorderasiatischen Raum, sondern ebenso auch zur Präsidenten-Familie Bush. Weiter spricht er über tieferliegende Strukturen der internationalen Geheimdienstszene, die einerseits aufgrund interdependenter personeller Vernetzungen durchaus gute Chancen habe, solch großangelegten Pläne wie den 11. September 2001 voraussehen zu können. Andererseits haben die großen Geheimdienste durch zahlreiche Black Ops („Schwarze Operationen“, die nicht im regierungsoffiziellen sicherheitspolitischen Haushalt eines Staates aufgeführt werden) die Redaktionen der wichtigsten Medien unterwandert. Zur Falschdarstellung öffentlicher Ereignisse und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, so Hunter S. Thompson. Er glaube nicht an die offizielle Theorie zu 9/11 und habe für alle Hörer einen Tip parat: „Ich bin schon so lange im Journalismus, im Geschäft, in der Politik. Ich weiß, dass die mediale Version über ein Ereignis niemals das wirklich geschehene Ereignis darstellt oder darstellen soll.“ Wie findest DU die Filme und Hunter sowie Dr. Gonzo? Kleines Rätsel: Wer findet den versteckten Hinweis im Murray-Film auf *Fear & Loathing*? Schreibt uns: kolumne[at]freakmuzik.net oder über Soundcloud, Twitter, Facebook all @ FreakMuzik(.net)!von A. Boos (DiSTrActeD B)
Auf zu den Quellen:
http://www.youtube.com/watch?v=oOsX9OvaieY&feature=related (Filmausschnitt Bill) http://www.youtube.com/watch?v=u_9tZ3aPCFo (Filmausschnitt Johnny) http://www.youtube.com/watch?v=OfoLKB0VZqg (Hunter S. Thompson bei Letterman, 1988) http://de.wikipedia.org/wiki/Fear_and_Loathing_in_Las_VegasEntdecke mehr von freakmuzik.net
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Ich liebe „Fear and Loathing in Las Vegas“! Ich bin aber bisher noch nicht dazu gekommen „Where the buffalo roam“ zu sehen. Hat den eventuell jemand auf VHS? =)